Michael über Diskriminierungserfahrungen in Schule und Arbeitswelt
Als kleiner Junge hatte ich mich auf die Schule gefreut. Andere deutsche Sinti sagten nur »Warts mal ab!«. Als ich dann in der Schule war, wurde meine Vorfreude sofort ausgebremst: Ich musste mich in die letzte Reihe setzen und wurde ignoriert, egal ob ich mich gemeldet habe oder nicht. Zwei, drei Wochen später habe ich dann einfach meine Schulsachen verschenkt. Ich wollte auch nicht mehr in die Schule gehen.
Mein Vater bestand jedoch darauf, dass ich zur Schule gehe, da ich wenigstens Lesen und Schreiben lernen sollte. Er konnte es nicht, weil ihm der Schulbesuch als Kind verboten wurde. Also saß ich dann da in der Schule oder war körperlich anwesend. Aber geistig hatte ich abgeschaltet.
Nach der ersten Klasse in der Grundschule kam ich sofort auf die Sonderschule, wie alle anderen Kinder der deutschen Sinti auch. In der fünften Klasse bekam ich dann eine neue Lehrerin. Diese schrieb etwas an die Tafel, was ich vorlesen sollte. Aber ich konnte zu diesem Zeitpunkt noch kein Wort lesen oder schreiben. Die Lehrerin bemerkte schnell, dass ich nicht so dumm war. Sie schenkte mir ein Märchenbuch, mit dem ich dann Lesen und Schreiben lernte.