Eine Perspektive von Roberto*

»Meine Urgroßeltern waren in Auschwitz inhaftiert, und ich denke jetzt viel darüber nach, was sie dort durchgemacht haben und wie sie gequält wurden.«

Roberto über die Gedenkfahrt nach Auschwitz

Vom Besuch in der Gedenkstätte in Auschwitz sind mir vor allem die Bilder in den Ausstellungen in Erinnerung geblieben. Es war erschütternd zu sehen, wozu Menschen anderen Menschen gegenüber fähig sind. Meine Urgroßeltern waren in Auschwitz inhaftiert und ich denke jetzt viel darüber nach, was sie dort durchgemacht haben und wie sie gequält wurden. Es ist furchtbar, sich das vorzustellen.

Leider habe ich meine Urgroßeltern nicht kennengelernt. Sie sind verstorben, als ich noch sehr klein war. Und meine Familie hat mir wenig über diese Zeit erzählt.

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Roberto, 40 Jahre, ist im Vorstand des 1. Sinti-Vereins Ostfriesland e.V. tätig. Er betreut Angebote für Kinder und Jugendliche, die Hausaufgabenhilfe, Sportangebote und Gartenarbeit im Schrebergarten. Roberto ist Vater von einem Kind.

Höre in das Gespräch mit Roberto hinein.
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Roberto (4.v.r.) in der Gedenkstätte des ehemaligen Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau, Oktober 2023.

Roberto über die Diskriminierung, die er als Sinto erlebt

Ich spüre in vielen Bereichen des Alltags die Diskriminierung: Bei der Wohnungssuche werden Familien aus der Mehrheitsgesellschaft bevorzugt, wir erhalten aufgrund unseres Nachnamens oft gar keine Antwort.

Die Polizei kontrolliert uns häufiger und behandelt uns strenger – nur weil wir Sinti sind.

In meiner Grundschulzeit erlebte ich ebenfalls Diskriminierung. Mein Klassenlehrer wollte mich in die Sonderschule schicken, obwohl ich gut in der Schule war. Das konnte ich beweisen, und sein Antrag wurde abgelehnt.

Ich bin ein ruhiger Mensch und lasse solche Vorfälle nicht zu sehr an mich heran. Zudem bin ich nicht nachtragend. Viele Sinti haben jedoch Schwierigkeiten, mit der ständigen Diskriminierung umzugehen, und tragen dann oft diese Wut in sich. Das schadet auf Dauer auch ihrer Gesundheit.

Ich habe eine große und liebevolle Familie, und das ist für mich das Wichtigste.

Für mich ist es weniger wichtig, was andere Menschen über uns denken. Meine Familie steht für mich im Mittelpunkt. Ich habe wenige Freunde in der Mehrheitsgesellschaft.

Als Kind durfte ich oft nicht mit anderen Kindern spielen, weil ihre Eltern es nicht erlaubten. So habe ich früh gelernt, mich auf mich selbst zu verlassen.

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Hier sprechen zehn Sinti* über ihre Familiengeschichten, die Folgen des NS-Völkermords und ihr Engagement gegen Antiziganismus heute.